Wunderfahrrad nannten sie mich.
»Good Morning Vietnam!«

Wunderfahrrad haben sie mich genannt. Heute wache ich auf, im Berg voller Schmierölflaschen. Ein Blick auf die Uhr, wieder zu spät. Diese Sendezeiten kotzen mich an, das ist Absicht, sie wollen mich schikanieren, Samstag, 9:35, Sonntag 9:25, und ich voll auf Sendung. Ein Schluck WD-40, den Morgenständer einklappen. Wie jeden Tag, seit 30 Jahren.

Beim ORF zerreißen sie sich die Mäuler, wenn ich zur Tür reinfahre. “Der Tom, der hat vorn schon einen Achter, einen Burnout, der muss in die Werkstatt” - oder gleich auf den Schrottplatz. Das wäre ihnen am liebsten, dem Leitner und dem Pötzelsberger und wie sie alle heißen, diese Streber, diese Schulsprecher. Gestern habe ich dem Wolf Armin an den Pult gepisst. “Der Tom ist auch nicht mehr der, der er mal war”, hat er gesagt.

Dabei habt ihr mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Eine Maschine, zusammengebaut, um zu funktionieren, immer eine Antwort auf alle Fragen. Danke dafür, Karo und Klaro, die K-und-K-Diktatur, willkommen in Österreich. Des Rätsels Lösung muss ich liefern, Mittel zum Zweck, aber hast du noch etwas von dem Lösungsmittel? Sie treten mir in die Pedale, die Wattzahl und die Einschaltquoten müssen stimmen, ich bin euer Quotenfahrrad.

⁠Und der Boss? Er schreibt gerade wahrscheinlich Buch Nummer 572, fordistischer Fließband-Fun für die ganze Familie. Für den Boss hab ich mir die Gangschaltung wund gefahren, während er sich zwölf Gänge im Ritz Carlton gönnt, Mr. Everybody’s Darling. Mr. Unicef Botschafter, ich habe eine Botschaft für Sie: Fick dich, Thomas, wenn du wieder ein TikTok filmst, mit deiner immerguten Laune Good Vibes Only. Danke für nichts! Nie ruft er mich zurück,” jaja, ich meld mich Tom”, “nein, ich leih dir kein Geld mehr Tom”, “wo bleiben meine Acidgurkerl, Tom?”. Mit dem Schmieröl soll ich aufhören, weil die Quoten sinken, als ob das an mir läge. Seine Sklaven, pardon, ich meine natürlich Autoren, hat er die Sendung überlassen, für das immergleiche Drehbuch, austauschbar, die Filmrolle, ein platter Fahrradschlauch, 6,1 auf imdb.

⁠Ich hätte gern in einem skandinavischen Autorenfilm gespielt, für Lars von Trier vielleicht, ein bisschen Arthouse, ein bisschen Meta, ein bisschen Sundance Film Festival. “Sei nicht albern”, hat der Boss gesagt. Immer hat er mich klein gehalten. Den Joker hätte ich gut gespielt, ich schau ja eh aus wie ein Clown. Stattdessen jedes Wochenende Confetti TiVi con Fettleber, dabei hasse ich diese Bälger! Schön hast den Fall gelöst, Noah, oder Leon, oder wie die scheiß Kinder heute heißen, erstklassige Spurensuche, und ich: Bremsspurensuche, hab ich mich grad eingschissn?

⁠“Der Tom hat sich wieder mit einem E-Roller gefetzt”, tuscheln sie beim ORF, und recht haben sie, was meint ihr, woher die dicke Lippe kommt? E-Roller, wenn ich das schon lese, wenn ich zwei Ecstasy schmeiße, bin ich auch ein E-Bike. Verschwenden mir das gute Lithium und kutschieren den nächsten Man-Bun-Träger zur Morgenkonferenz, im Start-Up-Coworking-Space samt Tischtennisplatte, dann schnell weiter, der nächste bitte, kein Leerlauf, keine Rücktrittbremse, perpetuum Hamsterrad, immer mobile. Der Obstkorbist gratis? Ich verzichte.

Ich hätte gern eine Bikergang gegründet, gemeinsam mit dem Fahrrad, mit dem der ET damals abgehoben ist oder vielleicht mit dem Jan Ullrich, sechs Tschick auf einmal rauchen. Die coolsten am Gürtel wären wir gewesen, heute spanne ich den Gürtel nur noch um mein Schaltkabel, um die Vene zu finden. “Du stinkst, Tom!”. sagen die “Kinderdetektive, wenn ich am Vorabend wieder Trick 69 (Niespulvertrick) mit Trick 666 (Alufolientrick) kombiniert habe. No shit, Sherlock, und jetzt geh weiter Playmobil spielen.

⁠Ich wäre gern die Tour de France gefahren. Nicht um zu gewinnen, sondern nur für die Aussicht. Auf den Col du wasweißich, auf die Champs Elysées und die schönen Französinnen. Stattdessen am Abend ein paar Flaschen Roter aus dem Tetrapak, bis ich mich eingepisst habe, fürs gelbe Trikot. Immer dem Peloton hinterher, Selbstoptimierung, Selbstzerstörung, Selbstaufgabe, im Namen der Gerechtigkeit, im Namen des Gesetzes und im Namen des heiligen Geldbörserls vom Brezina Thomas, Amen.

(Maximilian Eberle)

(Whats the Story) Morning Glory? Morning-Thoughts of T. Turbo Text by Maximilian Eberle
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